Laurent Schmid ‹BELAUSCHTE DIALOGE›
27.10.-26.11.2016
Von Anfang an operierte Laurent Schmid an diversen Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft. Sein Werk irritiert durch ein ständiges, parawissenschaftliches Kokettieren und erlaubt mehrdeutige Aussagen. “Wahrheit“ mutiert zur Projektion von Wünschen oder Erwartungen und kann vielschichtig ausgelegt werden. In diesem Spannungsfeld durchleuchtet er den Fundus von Geschichte nach interessanten Geschichten und flicht etwa absurde Verschwörungstheorien zu neuen Erzählsträngen oder mischt hinterhältig Wahrheiten mit Lügen. Im Zentrum steht sein grundsätzliches Misstrauen dem Bild gegenüber.
Inhaltlich dreht sich die neue Ausstellung ‹BELAUSCHTE DIALOGE› um zwei spekulative Theorien aus der Physik, welche sich in der Zwischenzeit als falsch herausgestellt haben. Einerseits Johann Wilhelm Ritter’s Idee, Vibration bzw. Oszillation als grundlegendes Prinzip in der Natur zu betrachten, und andererseits Faraday’s Annahme, dass Atome eine Art Wirbelknoten aus Äther darstellen. Beide Theorien stellen Hypothesen dar, wie die Welt verstanden werden kann. Ganz falsch sind sie nicht, jedoch werden sie als eher ungenau betrachtet. Nichtsdestotrotz haben diese nicht ganz korrekten Theorien zu anderen wichtigen Erkenntnissen geführt. Der Physiker und Mathematiker Peter Guthrie Tait z.B: hat nach der Knoten-These von Faraday begonnen, eine Systematisierung der Knoten zu erstellen und hat damit der mathematischen Knotentheorie einen frühen, wichtigen Schub gegeben. Tait und Kevin, die auch sonst oft eng zusammen arbeiteten, haben ebenfalls bedeutende Studien zur Kinematik gemacht. Und da schliesst sich dann wieder der Kreis zu Ritter.
Inspiriert von diesen wissenschaftlichen Theorien sind verschiedene Werkgruppen während eines halbjährlichen Aufenthalts von Laurent Schmid in New York entstanden. So basiert eine Serie Werke auf der Idee, dass Oszillation ein Grundprinzip der Natur sei, und damit Licht/Bild und Ton ein und dasselbe Phänomen darstellt, allerdings mit unterschiedlicher Frequenz. Um diese These zu veranschaulichen hat der Künstler Platten mit Ton zum vibrieren gebracht und damit feinen, darauf angebrachten Sand zu geometrischen Mustern geformt. Oder er hat eine Aufnahme eines Radioteleskops aus New Mexico bearbeitet und damit Flüssigkeiten, wie z.B. Schnaps zum Vibrieren gebracht.
Eine zweite Werkserie sind die Neonarbeiten, welche sich auf die Knotentheorie bzw. Systematisierung von P. G. Tait beziehen. Diese wurden in der Annahme entworfen, dass sie als verknotete Aetherwirbel die Grundlage aller Elemente bilden. Im Prinzip hätte sich so jedes Element einem Knoten zuordnen lassen.
Alle diese Arbeiten sind Resultate von Versuchen und Spielereien die Laurent Schmid im Atelier(-labor) gemacht hat. Sehr viel ist auf assoziativer Basis entstanden und einige Prozesse hat er direkt semantisch verwendet. Beinahe alle Fotografien sind Fotos von Fotos, also abfotografierte Fotografie. Dadurch wird die Mehrschichtigkeit von Realitätsebenen ersichtlich – zwischen Objekt, Abbild und Reproduktion. Dies verdeutlicht der Künstler durch verschiedene Montagen- und Collagetechniken, transparenten Partien und Übermalungen. Manche Fotos sind auf klarem Plexiglas gedruckt, die Neon-Knoten sind schwarz lackiert, lassen jedoch durch Kratzer auf der Oberfläche violettes Licht etwas herausblitzen. Zudem veranschaulicht eine Klanginstallation in der Ausstellung einerseits die komplexen wissenschaftlichen Theorien und andererseits die dadurch entstandenen Werkgruppen.