Beat Brogle
22.5.-3.7.04
Die letzte Ausstellung vor der Sommerpause ist dem in Berlin lebenden Künstler Beat Brogle gewidmet. Brogle hat vor kurzem mit seinem Internet-Kunstprojekt «one word movie» (www.onewordmovie.ch) international für Aufsehen gesorgt. Seine interaktiven Installationen sind spektakulär, ebenso die Landschaftsprojekte oder Eingriffe in urbane Strukturen. In Thun zeigt Brogle ausschliesslich Arbeiten auf Papier – die aber durchaus auch mal über den gewöhnlichen Papierrand hinaus wachsen können. Die Show besteht aus einer Vielzahl von bislang ungezeigten Zeichnungen aus den letzten zehn Jahren. Sie soll aber keineswegs retrospektiv verstanden werden, bilden einzelne Werkgruppen doch erst in Kombination mit neueren Serien eine geschlossene Einheit. Zur Vielfalt der Technik (Graphitstift, Tusche, Scherenschnitt auf verschiedene Arten von Papier) kommen unterschiedliche Formate. Es ergibt sich daraus eine spannende Ausstellung mit sehr dicht gehängten, dann aber auch wieder locker zusammen gestellten Gruppen.
Die Zeichnungen nehmen in Brogles Werk eine zentrale Stellung ein. Skizzen gleich sind sie auch immer Ausgangspunkte zu seinen plastischen und installativen Arbeiten. Ihn interessiert vor allem das Unsichtbarmachen von Gestalt/Form, und nicht zufällig bezeichnet er seine Zeichnungen deshalb oft als «amorph». Leichthändig geht er mit dem Graphitstift um, zieht seine Linien gekonnt übers Papier und schafft so eine eigenwillige Formensprache. Er arbeitet einerseits an seinen «Loops», an grosszügig geschwungenen Gebilden aus unregelmässigen Kreisen, alles Variationen einer stofftierartigen Urform, auf der anderen Seite an mikrostrukturellen, netzartig aufgebauten Welten oder narrativen Blättern. Von einem Punkt ausgehend scheinen die Linien das ganze Blatt wie ein Geflecht sukzessive zu überziehen, zu überwuchern. Die so entstandenen Labyrinthe sind in sich geschlossene, fein verästelte Liniensysteme, die den BetrachterInnen Zugang zu einem verborgenen System, Universum verschaffen. Unerwartet tauchen unter den abstrakten Kompositionen auch Tierköpfe, vor allem Affenköpfe, auf. Während einer längeren Schaffensphase besuchte Brogle regelmässig einen zoologischen Garten und untersuchte mittels Skizzen das Wesen von Tieren.
In der speziellen Hängung kann ein wichtiges Arbeitsfeld des Künstlers erstmals umfassend kennen gelernt werden. Das Zeichnungsoeuvre darf ob all den «hypen» interaktiven Projekten nicht ausser Acht gelassen werden – ohne dieses gäbe es auch jene nicht.
Bernhard Bischoff, Mai 2004