‹Painting for Life› Kotscha Reist

27.3.-30.5.09

Kotscha Reist zeigt in ‹Painting for Life› eine Serie im vergangenen Jahr entstandener Ölbilder. Der Ausstellungstitel ist mehrdeutig und spielt auf die besondere Situation eines jeden Künstlers an: Einerseits ist das Malen Essenz und Berufung im Leben; andererseits ist die Malerei auch Beruf – und nur mit Verkäufen kann der Künstler auch leben, bzw. überleben. Diese Ambivalenz, nämlich das Schaffen als rein kreativer, vergeistigter Ausdruck und das Schaffen explizit für den Verkauf, prägte viele Künstlerviten. Was schliesslich verkäuflich ist, entscheidet einzig der Markt.

Den Bildern liegen mehrheitlich Fotovorlagen zu Grunde, die der Künstler frei interpretierend und manchmal auch variierend auf den Bildträger überträgt. Meist stammen die Referenzen aus Zeitungen und Zeitschriften; oft verwendet er aber auch eigene oder gefundene Fotografien. Mal schemenhaft zurückhaltend, Mal kraftvoll inszeniert, breitet sich vor den BetrachterInnen ein Kosmos von Aktualität und Historie aus. Landschaften und Interieurs stehen gleichberechtigt neben figurativen Arbeiten. Die Motive sind vielfältig: Immer wieder finden sich jedoch Aststrukturen, Menschen in kuriosen Haltungen, Fenstersituationen oder Tiere – und oft auch mehrere Versionen des gleichen Sujets. Mittels Vergrösserung oder Verkleinerung werden die Vorlagen verfremdet; dazu blendet er Details aus oder rückt sie unvermittelt ins Zentrum. Stets jedoch setzt er seinen Schwerpunkt aufs vermeintlich Banale und entrückt dessen Bezug zur Wirklichkeit. Auf der einen Seite können die Bilder eine Sicht in einen Mikrokosmos bedeuten, auf der anderen eine fast makrokosmotische Darstellung der Welt. Auf jeden Fall sind sie aus der Zeitachse heraus gerissene Momentaufnahmen, zum Teil völlig entkontextualisiert und in eine neue Welt gesetzt – irritierende Erinnerungsfragmente eines kollektiven Gedächtnisses. Die offene Struktur lässt Platz für Geschichte und vor allem für Geschichten. Banalitäten verschwimmen im Raum der Zeit und drängen sich doch unmittelbar und zum Teil ohne, dass man möchte, ins Bewusstsein der BetrachterInnen.

Waren die Bilder der letzten Zeit von einem dünnen, mehrschichtigen Farbauftrag und somit einem eher verhaltenen Farbenspiel geprägt, kehrt nun wieder Farbe zurück. Auch die markanten Umrisslinien, entwickelt in den Papierarbeiten der letzten Jahre, finden jetzt einen akkuraten Platz auf der Leinwand. Die Lasurnebel, die die Motive früher oft fein überzogen, haben sich gelüftet – BetrachterInnen sind direkter mit dem Geschehen konfrontiert, ein Entziehen des Blicks ist nicht mehr möglich. Man muss förmlich eintreten ins Bild, bzw. sich darauf einlassen – und wird so selbst Teil von dessen Erinnerung und Geschichte.

Bernhard Bischoff, März 2009