Reto Leibundgut

Reto Leibundgut (*1966) lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Basel. Gebrauchte Materialien und aus der Zeit gefallene Einrichtungsgegenstände bilden den Werkstoff, aus dem der Künstler neue und ungewohnte Bild-, Objekt- und Raumkonstellationen entstehen lässt. Mit ungestümer Geste und hingebungsvoller Verarbeitung wird traditionellem Handwerk und herkömmlichen Sujets neues Leben eingehaucht. Fragmentierte Teppiche und Gobelins, Intarsien aus Gebrauchtmöbeln, raumgreifende Wandarbeiten aus einfachen Karton-schindeln oder Objekte aus Sofaleder persiflieren konventionelle Sehgewohnheiten. Reto Leibundgut lässt kontrastreiche, sinnliche und zugleich irritierende Arbeiten entstehen, welche überlieferte Wertvorstellungen humorvoll transzendieren.

Der Künstler bleibt auch in der aktuellen Ausstellung mit Wandobjekten, Reliefs, Spiegelobjekten und Herbarien seinen ungewöhnlichen Kombinationen von Material und Geste treu. In gekonnter handwerklicher Manier transformiert er gebrauchte Möbel, Alltagsgegenstände und Naturobjekte in kraftvolle, abstrakte Kompositionen, wobei er die Grenze zwischen Trivialem und Erhabenem wirkungsvoll auslotet. Die aus Möbelfragmenten entstandenen Wandarbeiten erstaunen durch Grösse und Materialpräsenz. Die ursprünglichen Formen des Mobiliars sind bis zur Unkenntlichkeit fragmentiert, und die Oberflächen dienen als Malgründe für mehrschichtige abstrakte, monochrome Farbfelder. Für das Tondo aus Zinn sammelte der Künstler allerlei Zinnbecher, -krüge, -pokale, und -teller aus dem Fundus von Vereinen und Sportclubs, welche er mit der Einwirkung von Hitze zu einem schillernden Flächenrelief ineinander schmelzen lässt. Das dreidimensionale Relief «Orgelimprovisation» aus Fragmenten einer ausgedienten Orgel ist als ‚Wandflügel‘ in unterschiedliche Positionen im Raum schwenkbar. Das Werk erscheint als ein optisches Musikstück in blauen Farbklängen, wobei der Rezipient Takt und Melodie angibt. Unspektakuläre Alltagsobjekte wie Staubsauger oder Schneeschaufel werden durch Oberflächen-verspiegelung von ihrer ursprünglichen Funktion als Arbeitshilfen befreit und mutieren, einer Discokugel ähnlich, zu verspielten Lichtreflektoren.

Der Künstler findet ebenso in der Natur geeignetes Material für seine Werke – grosse Steine sind eingebettet in Wandobjekte, oder Blüten und Blätter kommen zum Einsatz als Bildelemente einer Neuinterpretation des Herbariums. Im Gegensatz zur traditionellen Form einer systematisch angelegten Pflanzensammlung zu Bestimmungszwecken, sind Leibundguts Herbarien freie Kompositionen aus Naturmaterialien – subtile Pflanzenreigen auf einem lichtreflektierenden Hintergrund.

Reto Leibundgut schafft mit seinen neuen Werken die Verbindung von High und Low, von Geist und Materie und entlockt unscheinbarem und verbrauchtem Material eine versöhnliche und eigenwillige Schönheit.