‹Essential Landscape› Florian Dombois, George Steinmann

29.8.-11.10.08

Der Diskurs um Landschaft in der zeitgenössischen Kunst ist mannigfaltig. Seit dem Besetzen von Natur, etwa mit den Mitteln der Landart, dem Platzieren von ‹Kultur› im Naturraum, etwa anlässlich zahlreicher Skulpturenprojekte, bis hin zu pseudowissenschaftlichen Analysen ganzer Landstriche wurden diverse Lösungsansätze aufgezeigt, wie sich Landschaft und Kunst gegenseitig beeinflussen. Waren erste Landschaftsdarstellungen in der Renaissance bloss als schmucke Hintergrundsgestaltungen gedacht, emanzipierten sie sich – bis hin zu Landschaftsverherrlichungen in Biedermeier und Romantik oder gar einem eigenen Genre bei den Impressionisten. ‹Essential Landscape› versucht, den Diskurs fortzusetzen, indem exemplarisch zwei künstlerische Positionen die Frage umkreisen, welche Landschaft denn ‹essentiell› genannt werden könnte. In Florian Dombois’ und George Steinmanns Werk finden sich denn auch viele Bezüge zur Landschaft, bzw. Natur. Obwohl die Werke der beiden Künstler formal völlig verschieden sind, haben sie doch den gleichen Grundgedanken, nämlich denjenigen, die Natur vielschichtig zu erforschen. Seit Jahrzehnten erarbeiten sie sich einen in sich stimmigen Kosmos und setzen gefundene Materialien und Hypothesen zu inhaltlich stark aufgeladenen Werken zusammen.

Florian Dombois ist eigentlich Naturwissenschaftler, und so ist es nicht erstaunlich, dass er ein ganzes Repertoire technischer Messgeräte einsetzt, um seine Arbeiten zu materialisieren. In der aktuellen Ausstellung sind zwei Arbeiten zu sehen, eine dritte wird in Form eines Happenings anlässlich der Finissage dazukommen. In ‹The Channel› lässt uns der Künstler zwischen zwei sich gegenüber stehenden, gebogenen Holzpanelen hindurch schreiten. Psychologische Deutungen zum Geburtserleben drängen sich auf, man zwängt sich ja förmlich durch eine kurios-organische Form hindurch; beinahe sinnlich erlebt man beim Durchschreiten zwei scheinbar nicht miteinander korrelierende Kurven. Die beiden Panelen bilden das exakte Abbild der sich am Ärmelkanal gegenüber liegenden Küstenlinien von Calais und Dover, also einer der bekanntesten und wohl mythisch aufgeladen zu nennenden Meerengen der Welt. Und plötzlich wird man sich bewusst, dass man sich inmitten eines Geländemodells, einer dreidimensionalen Landkarte befindet, zwar nicht massstabgetreu aufgestellt, aber hautnah erlebbar gemacht. Bei ‹Horizont mit sieben Hügeln› hat Florian Dombois eine Zeichenmaschine entwickelt, wie sie tagtäglich in der Klimaforschung auch eingesetzt wird: Das Thermo- und Hygrometer misst Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Schaufenster der Galerie – die Werte werden auf ein Blatt Papier übertragen. Jede Woche um die gleiche Zeit wird ein neues, nicht skaliertes Blatt eingesetzt – und so entsteht immer eine neue Zeichnung, die aber, wegen der fehlenden Skala keinen wissenschaftlichen Wert hat und nur optisch ‹schön› ist: Man sieht ‹Berge› und ‹Täler›, eine Horizontlinie, eine Landschaft, direkt von den Launen der Natur gezeichnet.

Bei George Steinmann liegt das künstlerische Hauptinteresse klar bei ethischen Grundfragen des Lebens. Dass da die Fragen der Interaktion zwischen Natur und Kultur zentral sind, liegt auf der Hand. Seine Arbeiten appellieren denn auch immer an die Nachhaltigkeit – inhaltlich, wie in der materiellen Ausarbeitung. Verschiedene Werkgruppen in der Ausstellung belegen das sehr eindrücklich. So durchforstet er etwa, im wahrsten Sinne des Wortes, unberührte Urwälder und Landstriche auf der ganzen Welt und bringt wunderbar poetische Aufnahmen zurück, die von einer anderen Zeit künden. Verlassene Industrieareale bieten ihm aber ebenso Stoff, liegen sie doch quasi am anderen Ende des Spektrums und zeigen auf, dass Kulturland irgendwann einmal wieder von der Natur übernommen wird. Oftmals fixiert er mittels selbst gewonnenem Heidelbeersaft die so entstandenen Fotografien und gibt ihnen damit eine besondere, farblich aufgeladene Tonalität. In abgelegenen Quellen sammelt er Wasser, dessen Quellsubstanz als Pigmente wiederum den Weg in seine Malerei findet. Im Zeitalter hoch synthetischer Farben geht George Steinmann damit zurück zur Natur und verwendet eigens gewonnene Malmittel aus dem Inneren der Erde. Die Suche nach den Quellen wird zum performativ-meditativen Akt, zu einer Suche nach dem wahren Gehalt von Substanz. Die Entnahme von vermeintlich klarem Wasser, aus dem sich dann die Mineralien heraus lösen, hat etwas klar Alchimistisches und hebt die daraus entstandenen Arbeiten auf eine Art Metaebene der Kunst. Eine letzte Werkgruppe befasst sich mit Text, im Besonderen mit Texten zu multinationaler Ethik. Akribisch hat der Künstler die Worte und Sätze von Hand auf die Leinwand geschrieben, den Text immer wieder abgedeckt, zugedeckt und dann erneut überschrieben. Entstanden sind auf den ersten Blick geometrisch strukturierte Malereien, deren Mehrschichtigkeit, beim längeren Betrachten eine, ästhetisch wie inhaltlich, ungeheure Tiefe entfalten.

Bernhard Bischoff, August 2008