‹Fusions›: Ruth Buck, Reto Leibundgut

24.5.-12.8.06

Nachdem Ruth Buck und Reto Leibundgut am neuen Galeriestandort in Bern bislang nur mit kleinen Werkgruppen zu sehen waren, zeigen sie neue Arbeiten, allesamt entstanden in diesem Jahr. Beide sind Tüftler, in ihrer Art Perfektionisten, auch wenn das fertige Werk zahlreiche Zwischenschritte durchläuft und dabei alles andere als “perfekt“ ist. So etwa Bucks Autolackbilder, deren Farbträger zusammengeklebte, sich durch die Feuchtigkeit wellende, Blätter aus Papier sind. Erst mit dem mehrmaligen Lackieren und Abschleifen erhalten die Bilder die glatten, spiegelnden Oberflächen, die so gar nichts mehr mit einem handwerklichen Herstellungsprozess zu tun haben. Bei Leibundgut sind es auch immer die verwendeten, gebrauchten, oft schäbigen Materialien, die erst mit der aufwändigen Verarbeitung ihre “Staunen-erzeugende“ Kraft erhalten.

Die neuen Kompositionen aus verschiedenen Autolackbildern zeigt den Weg auf, den Buck in ihrer Malerei momentan beschreitet. Die Farbigkeit klassischer Meisterwerke, etwa van Goghs, Vallottons oder Manets, inspirierte sie zu eigenwilligen Zusammenfügungen verschiedener Autolackmalereien zu einer Gesamtkomposition. Drei bis fünf Tafeln unterschiedlicher Grösse werden dabei in einen farblichen und zugleich kunsthistorischen Zusammenhang gebracht. Das Vibrieren der eigentlich monochromen Flächen wird mit der Interaktion unter den einzelnen Bildträgern erhöht, es entstehen Kompositionen von grosser farblicher Strahlkraft. Die vierteilige Fotoperformance ‹I want to touch two moons› zeugt einmal mehr von Bucks vielseitigem Schaffen. Die Künstlerin weist in den Himmel, ins weite Weltall und versucht zwei Lichtpunkte, den Mond, zu berühren. Eine wunderbar kleine Geschichte vom Wunsch nach Utopie und Fiktion. ‹Invasion of Butterflies› ist eine poetische Installation, bestehend aus vielen Einzelblättern, die mit je einer Stecknadel an die Wand ‹gepint› sind. Darauf zu sehen sind Farbkleckse, die in ihrer Symmetrie aussehen, wie Schmetterlinge. Im Luftzug bewegen sich die Blätter, was eine Wand voller echter Schmetterlinge evoziert.

Reto Leibundgut zeigt sieben neue figurative Arbeiten auf Holz. Wie bei seinen früheren Intarsienbildern überträgt er Motive auf Holzbretter, sägt sie aus, setzt sie neu aber gleich wieder zusammen, nachdem er die einzelnen Teile mittels Kunstharzfarbe kurz eingefärbt hat. Mit der Serie ‹Virgins› hat er eine Werkgruppe von bestechender Stringenz geschaffen. Abbildungen aus Interneterotikseiten transformiert er – nicht zuletzt wegen der Kopfüber-Haltung – in sphärische Darstellungen junger Frauen und erfindet damit auch eine neue Ikonographie der heiligen Jungfrau selbst. ‹Pollution› ist eine riesige Wandinstallation aus Kartonschindeln. Aus alten Kartonabfällen hat Leibundgut unzählige Schindeln geschnitten. Zusammengefügt wirken sie wie Pixel – und tatsächlich hat der Künstler zwei Wolkengebilde aus der eigentlich einfarbigen Wand ‹gezaubert›. Mit ‹o.T.› schliesslich schaffte der Künstler eine Skulptur aus alten Ledersofas, eine ironische Auseinandersetzung mit dem Gebrauch von Alltagsgegenständen. Wie immer leben die gezeigten Arbeiten vom Werk immanenten Gegensatz von ‹versifftem› Material und liebevoller Machart.

‹Fusions›, Verschmelzungen/Vermischungen, so der Titel der aktuellen Ausstellung, weil beide KünstlerInnen immer wieder neue Wege finden, Materialien zu vermischen, sei es im materiellen Zusammenfügen selbst oder aber in einer verblüffenden Neukontextuierung des eigenen Werkes.

Bernhard Bischoff, Mai 2006