Katia Bourdarel / Sylvain Ciavaldini ‹NOCTURNES›

In ihrer gemeinsamen Ausstellung «Nocturnes» zeigen Katia Bourdarel (*1970, lebt und arbeitet in Marseille und Paris) und Sylvain Ciavaldini (*1970, lebt und arbeitet in Marseille) je aktuelle Werke von nächtlichen Szenen in der Natur, von Erscheinungen des Lichts im Dunkel bis hin zu mythisch märchenhaften «Stoffen», aus denen auch unsere Träume sind.

Es handelt sich im eigentlichen Sinn um «Nachtstücke», um Momente bei Mondschein oder anderen natürlichen wie auch künstlichen Lichtquellen. So genau lässt es sich nicht immer sagen, das Spiel mit Natürlichkeit und Künstlichkeit scheint beabsichtigt und liegt ebenso in der Natur der Sujets wie in der Natur der Kunst an sich. Auch ranken sich mehrdeutige Geschichten um die Bilder. Auf «L’éternité d’un instant» beispielsweise, zeigt Katia Bourdarel die Ewigkeit eines Moments als Mehrfachporträt einer jungen Frau in Gedanken. Wie eine Filmsequenz in Slow Motion überlagern sich die Porträts hinter dem dunklen Blätterwerk und mögen uns selbst eine kleine Ewigkeit lang zum Nachdenken bewegen. Wie bei früheren Werken, greift Katia Bourdarel auf gemeinhin vertraute Figuren- und Körperbilder zurück, auf bekannte Posen und Gesten, mitunter aus der Populärkultur und dem kollektiven Bildgedächtnis. Indes wird diese Oberfläche permanent von Brüchen und schrägen Bildmomenten gestört. Das vermeintlich «Schöne» und «Gute» wird nah ans «Böse» und «Abgründige» gerückt; das Melancholische und Morbide nah ans Heitere und Lebendige. So sind am Strauch auf «Mémento mori» neben grünen auch schon welke Blätter auszumachen. Vieldeutig sind auch ihre Bilder von mal ruhenden, mal umherschweifenden Frauen im Waldinnern, deren Konturen im Halbdunkel und in der Bewegung teilweise verwischen. Sie könnten ebenso einer mythischen Legende wie einem mystisch verrätselten Märchen entspringen. Wobei im Motiv und im Titel «Songe d’une nuit d’été» (Traum einer Sommernacht) ebenso Shakespeares Komödie «Ein Sommernachtstraum» sowie die Irrungen und Wirrungen der Protagonist:innen anklingen, die sie in einem verzauberten Wald erleben.

Sylvain Ciavaldinis Stillleben, Landschaften und Baumwipfel werden dagegen förmlich von Licht und Schatten in Schwarzweiss modelliert; aber ebenso von seltsamen Lichtspuren sowie aufleuchtenden Streifen und Punkten «heimgesucht» respektive überzogen. Gleich mehrfach manifestiert sich hier Ciavaldinis Interesse an der Darstellung und künstlerischen Formgebung von Licht und anderen Naturphänomenen. Auch das gleissende Licht, die Streifen, Spuren und Punkte auf «Canopée» (Blätterdach/Baumkronendach) oder «Dans le noir #1-#5» haben ihre je eigene Form beziehungsweise «Un-form». Schliesslich werden sie zur Leerstelle auf dem Bild, zum Ort des Durch- und Rückblicks, der Spiegelung und Reflexion.

Neben der Malerei und der Zeichnung, womit sich Katia Bourdarel und Sylvain Ciavaldini je beschäftigen, arbeiten beide mit Objekt-, Installations- und Videokunst. In Marseille teil sich das Künstlerpaar auch ein gemeinsames Atelier.

Marc Munter, 2023