‹Mapping›: Beat Brogle, Raffaella Chiara
20.10.–25.11.06
Beat Brogle hat sich in den letzten Jahren vor allem mit seinen komplexen, interaktiven Installationen einen Namen gemacht. Mit dem Projekt ‹www.onewordmovie.ch› tourt er um die ganze Welt. Es geht ihm beim Durchforsten von Internetbilddatenbanken um eine Verdichtung der Information, ums Konstruieren und gleichzeitige Dekonstruieren von Bildinhalten. Neben den installativen Arbeiten war es aber immer die Zeichnung, die der künstlerischen Arbeit den Boden gab. Nachdem die Galerie, noch in Thun, bereits zweimal Zeichnungen aus den letzten Jahren gezeigt hat, werden nun zum ersten Mal die grossformatigen, digitalen Scherenschnittkompositionen vorgestellt. Ausgehend von realen Scherenschnitten, hat Brogle am Computer dichte Labyrinthe geschaffen. In mehreren Schichten erzeugt er eine Wunderwelt, die einem sehr vertraut vorkommt, auf der anderen Seite faszinierende, neue ‹Realitäten› erzeugt. Die Netzstrukturen bilden ein Geflecht von Assoziationsketten, durch die man sich als BetrachterIn selber durcharbeiten muss. Die zweite, ebenfalls erstmals ausgestellte Werkgruppe ist in engem Zusammenhang mit dem Projekt ‹www.onewordmovie.ch› zu lesen. Bilder, die der Künstler auf Grund gleicher Suchbegriffe auf dem Internet gefunden hat, überlagerte er zu Kompositionen. Entstanden sind mehrschichtige Bildwelten, die den Suchbegriff vielfältig umkreisen.
Raffaella Chiara lässt in ihren zum Teil sehr grossformatigen Zeichnungen einen ganzen Kosmos entstehen. Räumlichkeit ist ein wichtiges Thema, Architektursysteme werden zusammengebracht mit organischen oder mineralischen Strukturen. Ohne Computer geschaffen, erinnern die Blätter stark an CAD-generierte Architekturstudien oder an dreidimensionale Kartensysteme. Beim zweiten Blick offenbaren sich die Bruchstellen zur bekannten Naturkunde: Berge stehen auf Tischen, Wälder wachsen in Höhlen, Inseln schweben frei im Raum. Allen Arbeiten ist gemein, dass sie frei jeglicher menschlicher Präsenz sind. Zwar erinnern die Titel oder gewisse Architekturstrukturen an Zivilisation; die Menschen aber bleiben völlig ausgeblendet. Die oftmals surrealen Kompositionen sind gespickt mit versteckten Inhalten. Immer wieder schafft es die Künstlerin, zu verblüffen, indem sie mit wenigen Strichen ein ganzes Universum öffnet. Es gelingt ihr, mit sanften Bleistift- oder Farbstiftstrichen und feiner Kolorierung wunderbare Gedankenwelten zu visualisieren. Chiara ist eine Geschichtenerzählerin, getrieben vom Drang, neue Bezüge herzustellen und mittels Neukontextuierungen in den Zeichnungsdiskurs der letzten Jahre einzugreifen.
So loten beide Künstler vielschichtig die Möglichkeiten aus, neue Welten zu generieren, wenn auch mit unterschiedlichen Techniken. ‹Mapping› bezeichnet das Sichtbarmachen eines Prozesses, das Aufschlüsseln und Offenlegen – der ideale Titel also, um die beiden Positionen in einen inhaltlichen Diskurs zu bringen.
Bernhard Bischoff, Oktober 2006