‹Painting Expanded›: Christian Kathriner, Peter Willen
7.10.–12.11.05
In der aktuellen Ausstellung zeigen Christian Kathriner und Peter Willen neue Arbeiten. Beide beschäftigen sich seit längerer Zeit mit Malerei, wenn auch völlig unterschiedlich. Nicht nur das klassische Tafelbild interessiert sie, sondern die Übertragung der Malerei in andere Medien, etwa in Fotografie oder Siebdruck. Und doch spürt man stets die Affinität zu Farbempfinden und Gestaltung. Während Peter Willen sich lange Zeit vollständig der monochromen Farbfeldmalerei auf Eitemperabasis verschrieben hat, waren es bei Christian Kathriner vor allem grossflächige Wand- und Deckenmalereien und kleinformatige Selbstporträts. Letzterer begann dann sukzessive sein Repertoire auszuweiten und fand verschiedene Techniken, um seine malerischen Intentionen auszuleben. Peter Willen hat sich sogar in Richtung Fotografie entwickelt; er wird seine digital bearbeiteten Fotografien zum ersten Mal zeigen. Beide erforschen also die Ränder der Malerei und arbeiten an einer sukzessiven Erweiterung des Malereibegriffs. Die Resultate werden in der Ausstellung gezeigt: ‹Painting Expanded›.
Schon von aussen sichtbar ist Kathriners Hinterglasmalerei ‹Sempione› an zwei Schaufenstern der Galerie. Gekonnt imitiert er den kantigen Sandstein und setzt so in bester ‹Trompe-l’œil-Manier› die Berner Fassaden im Fenster fort. Die lichten Räume werden verschlossen, die Fassade wirkt abweisend und befestigt. Im Inneren der Galerie malte er ein Deckengeviert aus, wobei er die Leuchtstoffröhren als Rahmen nutzte. Das Sternenmotiv erinnert an sakrale, barocke Deckengestaltungen, auch wenn die zurückhaltende Farbigkeit und das bauliche Umfeld diese erste Wahrnehmung schnell zu Gunsten eines architektonischen Konzepts korrigieren. Seine virtuos ausgeführten Lackmalereien stehen neben Siebdrucken vermeintlich alter Stilleben, diese wiederum neben kunsthistorisch konnotierten Fotomontagen. Christian Kathriner ist ein Meister des künstlerischen Zitats, nie verlegen, alle Register der Kunstgeschichte – oft auch gleichzeitig – zu ziehen. Ein erstes Mal zeigt er in Bern sein ganzes Repertoire an künstlerischem Ausdruck und leistet damit einen wichtigen Beitrag im aktuellen Malereidiskurs.
Lange dominierte die Ruhe die Werke von Peter Willen. Es waren kontemplative Arbeiten, erratisch und meditativ. Schicht für Schicht baute er die monochromen Farbfeldmalereien auf, einzig die unterschiedlichen Formate und die unzähligen Farbnuancen zeugten vom Wandel, von der Bewegung. Er hat die Monochromie neu erfunden, neu definiert; trotz all der Vorbilder in der Kunstgeschichte. Nun zeigt er ein erstes Mal zusätzlich seine digitalen Fotoarbeiten. Ausgehend von einfachen Bildinterventionen entdeckte er den einzelnen ‹Pixel›, aus dem heraus er die Bilder sukzessive farblich aufrollte. Seine Überarbeitungen wurden mit der Zeit immer virtuoser und freier. Die Farbstreifen begannen auszufransen, wechselten die Farbe, begannen zu schimmern, zu leuchten. Unzweifelhaft malerisch wurden die Arbeiten, und Peter Willen erweiterte seinen digitalen Pinsel und die digitale Palette von Werk zu Werk. Bildsequenzen wurden zerstückelt und die Fragmente in neuer Form zusammengesetzt. Fliessend durchmischen sich die Farben, erinnern an die einstigen Vorlagen. Man könnte fast meinen, dass der Künstler nach Jahrzehnte langer Auseinandersetzung mit konstruktiven und monochromen Arbeiten zu einer spielerischeren Form zurückgefunden hat. Und nun bewegt er sich in beiden Welten gleichzeitig: In der meditativ-ruhigen Farbfeldmalerei und in der lebendig-bizarren Welt der Fotocollagen.
Bernhard Bischoff, Oktober 2005