‹Polar› Marius Lüscher
13.2.–21.3.09
Der Berner Künstler Marius Lüscher hat als Autodidakt lange Jahre im Stillen ein beeindruckendes Oeuvre aufgebaut. Nach einigen kurzen Auftritten im Aargauer Kunsthaus, der Kunsthalle Bern, dem Kunstraum Oktogon oder in unserer Galerie, zeigt er seine Arbeiten erstmals in grösserem Umfang. Neben den bereits bekannten Gemälden sind neu auch Plastiken zu sehen.
Marius Lüschers malerisches Werk zeichnet sich durch zwei Hauptstilrichtungen aus. Einerseits, und den wichtigeren Teil einnehmend, finden sich abstrakte Bilder, die wegen ihrer mutigen Farbwahl sofort auffallen. Mit dem Pinsel trägt er dünn Ölfarbe auf und arbeitet sich so durch zig Schichten hindurch. Farbverläufe, lasierend eingesetzter Farbauftrag und den Fluss der nassen Farbe nutzt er geschickt für spannende Kompositionen. Linien mäandrieren, Formen lösen sich auf, Flächen strukturieren die fein aufgebaute, pseudoorganische Struktur. Während die kleineren Formate feine, fast samenartige Formen bilden, wachsen die Grossformate zu wunderbar-poetischen Wucherungen aus. Und doch wirken die Bilder nicht voll gestopft. Der weisse Hintergrund gibt den kräftigen Farben den nötigen Halt und lässt sie atmen. Die Gebilde sind zart komponiert; immer findet sich auch ein ungewohnter Bildaufbau. “Ohne Titel“ ist für einmal kein leeres Wort; denn nur so sind die vielen Assoziationsmöglichkeiten da, zu denen einen die Werke einladen. Neben diesen abstrakten Bildwelten arbeitet Marius Lüscher andererseits auch an monochromen, geometrisch strukturierten Farbfeldmalereien. Klare Formen teilen dabei die Bildfläche ein. Mit dickem Farbauftrag hat er mittels deutlich sichtbaren Pinselstrichs faszinierende Bildwelten geschaffen, deren Farbenspiel erst mit wechselnden Lichtverhältnissen ganz erfasst werden kann. Diese vollflächig gemalten, silbernen und schwarzen Arbeiten besetzen den Raum, nutzen jeden Quadratzentimeter aus, ziehen die BetrachterInnen förmlich ins Bild hinein. Der Titel “Flaches Land“ scheint sich auf den ersten Blick zu bestätigen; bei längerem Hinsehen ist das Land aber alles andere als flach: Da finden sich Berge und Täler, wobei die Formen ständig zwischen mikro- und makrokosmotischen Formen zu pendeln scheinen.
Die verschiedenen Papierarbeiten im Kabinettsraum zeugen vom fast manischen Anspruch des Künstlers, sein angestammtes Formenrepertoire auf alle möglichen Varianten hin zu erforschen und zu interpretieren – oder aber neue Lösungen für Formprobleme zu finden. Mit verschiednen Verfahren nähert er sich an, experimentelle Abklatschverfahren stehen gleichwertig neben klassischen Zeichnungen. Virtuos schwingt Marius Lüscher den Zeichenstift. Es ist faszinierend, die Formgenese direkt zu erleben und dabei Zeichen zu entdecken, die sich in den grossen Kompositionen wieder finden lassen.
Und dann sind da noch die zum ersten Mal gezeigten Plastiken – amorphe Gebilde, mit leichtem Silberglanz überzogen. “Stalaktitenstalagmitenartig“ wuchern Wurzeln oder Hälse in die Höhe und fordern ihren Platz ein. Was in den Zeichnungen und Malereien vorbereitet wurde, findet hier eine dreidimensionale Umsetzung. Die Plastiken scheinen sich förmlich zu bewegen, fügen sich jedoch harmonisch ein in den Raum und teilen sich diesen logisch mit den anderen Arbeiten. Und so schliesst sich der Kreis wunderbar, der alle Arbeiten des Künstlers zusammenhält: Es ist die unentwegte Suche nach einer eignen, und doch irgendwie universellen Formensprache.
Bernhard Bischoff, Februar 2009