‹Schwarzweiss in Farbe›: Arno Nollen, Natasha Jaliuc

20.4.-2.6.07

Der Niederländische Künstler Arno Nollen tritt in der Ausstellung in einen Dialog mit der jungen, moldawischen Fotografin Natasha Jaliuc. Der Titel der Ausstellung, ‹Schwarzweiss in Farbe›, deutet die Vielschichtigkeit der Arbeiten bereits an. So dominieren ganz klar schwarzweisse Fotografien; diese werden aber bewusst durchbrochen mit einigen Farbbildern und einer ebenfalls farbigen Videoarbeit. Etwas “Schwarzweiss-Malen“ bezeichnet eine Situation, in der es keine Kompromisse gibt, in der sich Extreme als Gegenpole gegenüberstehen. Nun, die Ausstellung stellt genau solche Extreme in einen Diskurs. Wunderbare Landschaftsbilder, deren fast surreale Schönheit immer im Kippen begriffen ist, stehen etwa neben den erschütternden Videobildern eines sterbenden Hundes. Frauenbilder wagen die schmale Gratwanderung zur Erotikfotografie – und erst langes und intensives Betrachten offenbart die unglaubliche Präsenz der Modelle und die beinahe magische Einfühlungskraft des Fotografen. Entstanden ist eine eindrückliche Gegenüberstellung zweier Künstler aus zwei verschiedenen Kulturkreisen. Und vom Kreisen handeln denn auch die Arbeiten: Vom Kreisen ums Motiv, ums Aufstöbern und Entdecken, ums Einfühlen und Verstehen.

Arno Nollen interessiert sich fürs „Dazwischen“. Unprätentiös, aber beharrlich spürt er “Unorte“ auf und die Menschen, meistens Frauen, die diese “Unorte“ bewohnen. Seine zum Teil sehr intimen Porträts zeugen von einer unvergleichlichen schöpferischen Kraft, mit der er ans Werk geht. Unerbittlich und unermüdlich durchleuchtet er die Psyche eines Landes anhand seiner Bewohner. Die Abgebildeten wirken dabei stets kraftvoll und verletzlich zugleich. Die Fotografien und Videoarbeiten vermitteln die grosse Einfühlungskraft des Künstlers, der die geheimnisvolle Zwischenräume menschlicher Psyche immer aufs Neue gekonnt auslotet. Die Modelle findet er auf seinen ausgedehnten Reisen. Er taucht dabei ein in die Abgründe der Gesellschaft und legt deren “Gewissen“ einfühlsam, aber schonungslos frei. Dies ist nur möglich, weil er sich in langen Sitzungen Zugang zu den Porträtierten schafft. Die grossformatigen Bilder in der Ausstellung spiegeln die Lust am Experiment wider. Das schwarzweisse Porträt schaut förmlich durch die Betrachtenden hindurch. Die kleinformatige Serie “Untitled Girls“ zeigt die Veränderung, die während einer Fotositzung entstehen kann. Ein Blick in eine Küche zeigt einen weiteren wichtigen Aspekt in Nollens Arbeit, nämlich den intimen Einblick in Alltagssituationen. Die zum Teil sinnlich-erotischen Fotografien stehen oft an der Grenze zur Pornografie; aber auch an der Schwelle zur Modefotografie. Mit dem Einsatz von Versatzstücken, wie Perücken, Pflastern oder Strümpfen, öffnet er eine neue Ebene der Betrachtung. Die Videoarbeit “Dog in Vain“ erzählt die letzte Episode im Leben eines moldawischen Hundes und ist ein zentrales Werk in der Ausstellung. Bereits setzen dem Tier hunderte von Fliegen zu, ab und zu wankt es im vermeintlich idyllisch plätschernden Bach, und unweigerlich macht sich eine erschütternde Betroffenheit beim Be-trachten breit. Zuletzt – oder zuerst – zeigt Nollen eines seiner raren Bücher, Kondensate der Arbeit und in aufwändiger Handarbeit hergestellt. Beim Blättern eröffnet sich des Künstlers Welt und breitet sich vor einem aus. Nollens Bücher sind quasi eine Klammer um sein Werk, ein inhaltlicher Überbau, der einem des Künstlers “Universum“ zuerst nur langsam, aber dann immer schneller erschliesst.

Die in Russland lebende Moldawierin Natasha Jaliuc hat Nollen auf einer Reise kennen gelernt. Ohne grosse Hilfsmittel arbeitete sie in der ehemaligen sowjetischen Provinz an ihrer künstlerischen Karriere. Ein alter Fotoapparat, ein Geschenk von Nollen, liess sie die Welt mit “neuen Augen“ erkunden. Auf Grund der spannenden Arbeiten wurde sie daraufhin als Studentin an die Rietveld Akademie nach Amsterdam eingeladen. Ihre Werke pendeln zwischen hoch poetischen Landschaftsbildern und fast humorvollen Einzelbildern, in der Ausstellung vertreten durch eine Fotografie zweier Hunde. Die verklärt-verträumten Landschaften erinnern an fotografische Zeugnisse aus dem 19. Jahrhundert. Minutiös untersucht sie das Wesen des Bildausschnitts, Konturen verschwimmen, lösen sich auf – übrig bleibt die Urkraft der Landschaft.

Bernhard Bischoff, April 2007